Deggendorf. Es war ein spannender „Dialog“ im Klosterhof. Zwei Stunden lang erzählte der ehemalige Landespolizeipräsident Waldemar Kindler aus seinen 40 Jahren bei der bayerischen Polizei. Club-Chefin Cornelia Wohlhüter konnte sich darauf beschränken, Stichworte zu geben – und schon sprudelte Kindler los. Seit vier Jahren ist er jetzt im „Ruhestand“. Das bedeutet bei ihm, dass er sich die Arbeit aussuchen kann. Auf Dutzende von Flugreisen im Jahr kommt er, vor allem durch internationale Beratungen in Sicherheitsfragen. Die Zuhörer waren fasziniert von seinen Erlebnissen, ihnen schwirrte aber auch der Kopf von den vielen Namen, die da so nebenbei erwähnt wurden: Hochrangige Politiker in Spanien, in Ägypten, Tunesien oder Brasilien, die bei Waldemar Kindler Rat suchten, neben bekannten Namen wie Joachim Herrmann oder Winfried Kretschmann. Kindler erzählte auch von der Mafia-Jägerin aus Catania, die in den 90er Jahren die bayerische Polizei mit der Warnung überaschte, dass sich in Bayern Mafiosi niedergelassen hätten, weil ihnen in Sizilien der Boden zu heiss geworden war. Tatsächlich hatten sich die Schwerstkriminellen damals das beschauliche Allgäu als „Ruheraum“ ausgeguckt. Aber da hatten sie sich gründlich getäuscht, Ruhe hatten sie nun nicht mehr.
Seit 40 Jahren steht der Alt-Mettener an vorderster Front in Sachen Sicherheit. Da gibt´s natürlich heiße Geschichten, auch von Kontakten mit NSA, Europol, Interpol, Scotland Yard – man kennt sich und man schätzt sich. Von dunklen Stunden erzählte Kindler, aus seiner Zeit als LKA-Vizepräsident, wo er dichter dran war am operativen Geschäft. Wo er nach Todesschüssen auf Polizisten mit den Angehörigen sprechen musste. Als Landespolizeipräsident hatte er andere Aufgaben; er führte zum Beispiel in Bayern die Schleierfahndung ein, als die Grenzen geöffnet wurden. Wie schaut´s mit der Sicherheit in Bayern aus? Natürlich gut, fast 42 000 Sicherheitskräfte wachen darüber. Es waren schon mal weniger, als Edmund Stoiber nach seinem grandiosen Wahlerfolg den Freistaat zum großen Sparen zwang. Damals sank die Zahl der Polizisten in Bayern von 38 000 auf 36 000 – ein Fehler, der lange nachwirkt, auch wenn inzwischen der Personalstand wieder aufgestockt wurde. Die Delle spüre man noch heute, so Kindler.
Nachdem seine Verabschiedung in den Ruhestand fünfmal verschoben, seine Dienstzeit um fünf Jahre verlängert wurde, ging Kindler vor vier Jahren doch in den Ruhestand. Ruhestand! Wenn Landesregierungen ihre Polizei auf Vordermann bringen wollen, ist bestimmt einer in Berlin oder München, der Kindler als Berater empfiehlt. So war er in Sachsen-Anhalt und Baden Württemberg, flog nach Kairo und Tunis. Und natürlich brauste er auch nach Rio, um die Brasilianer für die Fußballweltmeisterschaft zu beraten. So ganz nebenbei ist der ehemalige Landespolizeipräsident beim DFB ehrenamtlicher Sicherheitschef, berät Weltkonzerne in Fragen der Cybersicherheit, und und und. Das erzählt er alles ganz unprätentiös, macht keine große Sache draus. Man spürt, er hat Freude an der Aufgabe; das kann er, da ist er eben der Meister. Und die Politiker wissen das genauso wie die Manager.
Zwei Stunden lang erzählte Kindler. Das ging um Hausbesetzungen, um Hamburg und die Rote Flora. Und warum Ähnliches in Bayern nicht passieren könnte. Wehret den Anfängen, ist das Geheimnis. Man darf es gar nicht erst soweit kommen lassen, muss gleich gegen gewaltbereite Vermummte auftrumpfen. Dass das funktioniert, beweist München jedes Jahr bei der Sicherheitskonferenz. Dabei hat Kindler immer auf die Kommunikation der „Staatsmacht“ mit den Bürgern gesetzt, schon in den 70er Jahren, bei der Münchner Polizei. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, die Beamten in Kommunikation schulen zu lassen.
Zu den Gästen gehörte auch Altoberbürgermeister Dieter Görlitz, der Kindler noch aus seiner Zeit als Landtagsabgeordneter bestens kennt – und vom Deggendorfer Eishockey natürlich. Da trifft man den Gotteszeller häufig an.