Vergnüglicher Vortrag über vier Jahre im Reich der Mitte

Deggendorf. Vier Jahre lang lebte und arbeitete Werner Faßer in China. Der ehemalige Leiter der staatlichen Wirtschaftsschule erzählte von dieser Zeit so vergnüglich, dass die Zuhörer im Klosterhof nach mehr als zwei Stunden den Oberstudiendirektor a.D. um eine Fortsetzung im nächsten Jahr baten. Und die wird´s geben, denn von vier Jahren in einem so erstaunlichen Land der Gegensätze gibt es immer wieder Neues zu berichten.

Faßer war von 1992 bis 1996 in China als Berater des Bildungsministeriums unterwegs, im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung. Es ging dabei vor allem um die berufliche Bildung und das duale System.   Hauptstandort war Nanjing, aber in der Wohnung im Universitätscampus war der Deggendorfer nur selten: Meisten war er unterwegs in dem riesigen Land. Beim Vortrag zeigte er anschaulich die Gegensätze. In Harbin im kalten Norden, wo im Winter -40 Grad keine Seltenheit sind, baut man aus Eisblöcken ganze Paläste. Die werden dann beleuchtet für frostige Nächte. Die Milch wird im Winter in Eisblöcken verkauft, die mit dem Beil abgeschlagen und dann gewogen werden, erzählte der China-Reisende. Dann ging´s in den warmen Süden, an die Küste mit der Tropenlandschaft und dem ewigen Frühling. Sechs Längengrade umfasst das Reich der Mitte. Und doch gibt es keine Zeitzonen – anders als etwa in Russland oder Europa. Das führt dazu, dass in einigen Städten erst mittags die Sonne erscheint, während man andernorts bei hellem Sonnenschein zu Bett geht. Faßer führt das auf die Sorge Pekings vor einem Zerfall des riesigen Reichs zurück: Wie schnell das gehen kann, hat Moskau mit der UdSSR erlebt.

Wer für Jahre im Ausland lebt, richtet sich gern heimisch ein. Drei Jahre lang wurde Faßer von seiner Frau Marianne begleitet, die ihn beruflich unterstützte. Für die Hausarbeit aber gab´s eine „Lahu“, eine Haushälterin, die auch die meisten Einkäufe auf dem Markt erledigte, weil von den „Langnasen“ meist höhere Preise verlangt werden.

Dass zuhause gekocht wird, war jedenfalls in jenen Jahren in China nicht selbstverständlich. Kaum eine Wohnung hatte eine Küche, gegessen wurde meist in den Gemeinschaftseinrichtungen. Gastmähler lieben die Chinesen. Alles wird gleichzeitig aufgetischt – und jeder pickt sich heraus, was er mag – von Schlange über Skorpion bis hin zur Ente, zum Schwein, zum Huhn. Wobei die Hühnerkrallen als ganz besondere Delikatesse gelten.

Faßer sprach über die Ein-Kind-Politik der Mao-Regierung und ihre verheerenden Folgen: Es gibt einen Männerüberschuss, Entführungen kleiner Mädchen zwecks späterer Ehe waren auf dem Land gar nicht selten. Überdies ist das demographische Gefüge aus dem Ruder gelaufen. Heute gibt´s die Ein-Kind-Politik nicht mehr, aber im modernen China findet man selten Familien mit großer Kinderschar.

Weil sein Dienstwagen verdächtig viel Sprit verbrauchte und der Fahrer ständig neue Rechnungen für Reparaturen daher brachte, machte Faßer in Nanjing den chinesischen Führerschein. Da war er einer von vier Europäern in der 8-Millionen-Stadt. Faßer erzählte von der Sprachvielfalt: Jeder Dialekt ist eine eigene Sprache. Aber die Schriftzeichen bedeuten überall das gleiche, weshalb man sich unter den Chinesen doch sehr gut verständigen kann.

Chemiefabriken in einem neuen Märchenschloss wie aus Disney-World, riesige Strohhaufen auf der Straße: So lassen sich die Bauern ihr Getreide dreschen. Vor 25 Jahren war Luftverschmutzung noch kein Thema in China, man hielt einfach die Fenster geschlossen. Gute Luft allerdings wusste man zu schätzen: Für Tagesmütter in guten Wohngegenden ohne Smog zahlte man deutlich mehr als für einen Betreuungs-Platz im Industrie-Viertel.

Für den lebendigen Vortrag gab´s herzlichen Applaus und noch lange Diskussionen, denn die meisten hatten China schon bereist – allerdings ohne so genaue Einblicke in den Alltag der Chinesen.