Entzückende Erbstücke im Klosterhof „Kunst und Krempel“ beim Senioren-Aktiv-Club: In Deggendorfer Haushalten schlummern viele Schätze

Deggendorf. „Ui, Ui, Ui. Für unseren Geschmack zu gülden, aber sehr gut gemacht, aus zirka 60 Einzelteilen gegossen und zusammenmontiert.“ So beschreibt Porzellan-Kennerin Hela Schandelmaier die Szenerie der Geschichte von Cinderella mit der Kürbis-Kutsche. Wie an der Aufschrift „fine porcelaine“ unschwer zu erkennen, „ein Exemplar aus dem US-angelsächsischen Raum, 20. Jahrhundert“, fügt sie an. DiePalettederRaritäten,diebei beim „Kunst und Krempel“- Nachmittag im Deggendorfer Senioren-Aktiv-Club (SAC) präsentiert worden sind, war vielfältig: Das alte Charivari (Schandelmaier: „Da geht mir das Herz auf“), das Gerd Schwerdtfeger schon in der dritten Generation trägt, gehörte ebenso dazu wie die „Dröppelminna“, eine Kaffeemaschine von anno dazumal, die Ingrid Stadler zum Vorzeigen dabei hatte aber „noch nie ausprobiert“ hat. Zum Auftakt hatten die Kunstexpertinnen Hela Schandelmaier und Dr. Sabine Rehm-Deutinger die Bronze eines gut gebauten Mannes untersucht: Der lag da, lang hingestreckt mit hocherhobener Siegespalme. „Sie stammt von meinem Großvater aus Berlin“, konnte Besitzerin Sabine Winkelmann dazu sagen. Die Frau aus Untermitterdorf bei Kirchberg im Wald war extra angereist. Sonst käme die ausgezeichnete Bridge-Spielerin immer mittwochs zum Kartenspielen in den Senioren-Aktiv-Club, weiß dessen Vorsitzende Cornelia Wohlhüter. 19. Jahrhundert, datierten die Expertinnen. „Es gibt sicher ein größeres Vorbild, das finde ich“, versprach Schandelmaier, die den nackten Schönling später per Smartphone ablichtete.

„ÜberEck gearbeitet, gedoppelt und vergoldet: Schon der Rahmen ist ein Prunkstück“ kam Sabine Rehm-Deutinger ins Schwärmen, als sie ein „Seestück“ mit der fantastisch heraus gearbeiteten Wolkenstimmung näher betrachtete. Margit Parl, die immer gerne „Bares für Rares“ schaut, hatte es mitgebracht. „Entzückend“ war eines der meist gebrauchten Worte der Kunsthistorikerinnen: Sie erläuterten die „Schätze“ näher und ordneten sie einer Epoche zu oder versuchten den Künstler oft anhand von Initialen zu eruieren und Näheres über ihn zu erfahren, wobei sie auch auf ad hoc Internet-Recherche via Smartphone zurückgriffen. „Passen Sie gut drauf auf“, gab das Duo zudem zahlreiche Tipps in punkto Aufbewahrung oder Restaurierungsbedarf. Dekoratives aus Porzellan, Volkskunst, wie eine bemalte Hochzeits-Spanschachtel, oder ein Kreuz, wie es Hedi Boot mitgebracht hatte, ein Flohmarkt-Kauf ihres Mannes: „Teuer ist es nicht“, sagte Sabine Rehm-Deutinger, aber es imitiere in liebevoller Handwerksmanier mit Miniatur Papierröllchen und Glassteinen Klosterarbeiten, „ein einzigartiges Zeugnis der Volksfrömmigkeit“. Zudem waren Krüge, Landschafts- und Blumenbilder und vieles mehr zu bestaunen. Das größte Teil war eine zirka 1,20 Meter hohe „Mater Dolorosa“, die Hedi und Lothar Lengler begutachten ließen: Eindrucksvoll schilderte der Graflinger auch die Tücken des Transports des „Erbstücks“ – „von der Cousine meines Vaters“– auf das er immer schon ein Auge geworfen hatte. Eingehüllt in eine Hundedecke hatte er die Lindenholz-Figur, die aus einer Kreuzigungsgruppe stammen könnte, damals nach Hause transportiert. Danach fanden sich Partikel von der Gold- bzw. Silberfassung in der Hundedecke sowie Hundehaare im Auto. Mit zu den filigransten Stücken zählten zwei Porzellanfigürchen – ein Kavalier mit Geige und seine Dame mit Gesangbuch, einander zugewandt – von Traudl Iberl aus Deggendorf. Als aufwändigen und komplizierten Herstellungsprozess beschrieb Hela Schandelmaier den Spitzenrock der weiblichen Figur. Echte Spitze wurde für das Röckchen in flüssiges Porzellan getaucht und dann gebrannt. Die Porzellanmasse bleibt dann als Spitze übrig. Ihr seien schon mal 40 Euro pro Figur geboten worden, sagte Traudl Iberl, die das Rokoko-Pärchen, das sorgfältig verpackt in einem Schuhkarton aufbewahrt wird, auch verkaufen würde. Solche Figuren wurden früher auch gerne als Tischdekoration genutzt, um Gespräche in Gang zu bringen, hieß es von Expertinnen-Seite. Iberl hätte auch gerne gewusst, was ihre beiden sehr nachgedunkelten Pferdebilder, auf Holz gemalt, wert seien. Sie stammten von ihrer Tante, die Haushälterin bei einem Galeristen in München war. Die hatte die Bilder von ihrem Arbeitgeber geschenkt bekommen. Aber den Expertinnen war, wie in andern Fällen auch, keinBetrag zu entlocken. Allerdings konnte man an den Mienen und am Unterton erkennen,dass es sich in einigen Fällen nicht nur um ideelle Schätze handelt.

„Kunst ist immer soviel wert, wie der Käufer zahlt“, brachte es Cornelia Wohlhüter auf den Punkt. „Wir sind ja alle schon Experten, wir schauen  ,Kunst und Krempel’“ hatte die SAC-Vorsitzende eingangs Bezug auf die TVSendung genommen, als sie die mehr als 70 Gäste begrüßte. Die zwei informativen und unterhaltsamen Stunden vergingen wie im Flug – und mit zwei Erkenntnissen:  In Deggendorfer Haushalten schlummern viele Schätze. Die können, wie die Ikone, die zuletzt aufgerufen wurde, „2000 Jahre alt sein oder von gestern.  Josefine Eichwald