Waren die Hussiten je in Deggendorf? Prof. Lutz-Dieter Behrendt sagt: Nein

Deggendorf.  Generationen von Deggendorfer Schulkindern haben gelernt, dass einst die Hussiten die Stadt überfallen wollten. Aber wie durch ein Wunder wurden sie am Stadtrand gestoppt und kehrten um. Daran erinnert die Hussitensäule in der Stadt Au. Tatsächlich aber, so der Historiker Prof. Lutz-Dieter Behrendt, waren die Hussiten nie in Deggendorf.

Bei seinem Vortrag am Donnerstag im Senioren-Aktiv-Club ging der Wissenschaftler zurück an die Anfänge: Der Theologe Jan Hus in Prag war stark beeinflusst von den Schriften und Ideen des englischen Reformators John Wycliffe, der u.a. gegen das Papsttum und die Pracht der Kirche predigte. Hus griff diese Gedanken auf. Seine Predigten in der Bethlehem-Kapelle zu Prag ab 1402 fielen auf fruchtbaren Boden; er versammelte schnell Tausende von Anhängern um sich. Dass er u.a. den Ablasshandel scharf verurteilte, missfiel dem böhmischen König Wenzel besonders, weil er davon profitierte. Ohne die Rückendeckung des Königs wurde Hus bald der Ketzerei beschuldigt und wurde zum Konzil von Konstanz vorgeladen. Mit der Zusicherung von freiem Geleit zog Jan Hus nach Konstanz. Dort wurden er trotz des Geleitbriefs eingekerkert und 1415 zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt.

Prof. Behrendt erzählte fast zwei Stunden lang ohne Pause, wie es zu den Religionskriegen gekommen war. Die Empörung über den Tod des Jan Hus  führte zur Massenbewegung: Beim „Tabortag“ 1419 versammelten sich 42 000 Anhänger in Tabor, dem Zentrum der Bewegung. Damit begann ein Krieg, der erst 1435 endete, nachdem die böhmischen Katholiken einige Zugeständnisse gemacht hatten, etwa das Abendmahl in beiderlei Gestalt.

Bis dahin aber tobte ein erbitterter Kampf. Der Papst rief allein zu fünf Kreuzzügen gegen die Hussiten oder „Taboriten“ (wie sie sich auch nannten) auf, die aber von den entschlossenen „Gotteskriegern“ alle gewonnen wurden. An diesen Kreuzzügen mussten im Namen des Straubinger Herzogs auch Krieger aus Deggendorf, Plattling und Osterhofen teilnehmen.

Die wilden Heerhaufen der Glaubenskrieger mit ihren listenreichen Anführern versetzen  das ganze Land bis zur Ostsee in Angst und Schrecken. In Cham, in Waldmünchen, in Neunburg, in Franken, auch in Regen und in der Straubinger Gegend trieben die Hussiten ihr Unwesen. Obschon Zeitgenossen berichteten, dass Frauen und Kinder von den Hussiten geschont wurden,  galten sie als entsetzliche Unholde, so der Referent.

Die katholischen Heerführer gingen offenbar davon aus, dass die Hussiten 1432 in Deggendorf einfallen würden. Die Bewohner der Stadt wurden schon aufgefordert, die Vororte abzureißen, um freies Schlachtfeld zu schaffen. Das aber ignorierten die Deggendorfer. Tatsächlich, so Prof. Behrendt, wandten sich die der Heerzug kurz vor Deggendorf ab und zog gen Straubing.

Die Sage, wonach die Hussiten bis vor die Mauern der Stadt kamen und hier vom hl. Mirakel geblendet und vertrieben wurden, fand Prof. Behrendt bei seiner Forschung erst im 19. Jahrhundert; 1844 schrieb Josef  Schreiber das Mirakelwunder nieder. Es wurde 1934 erneuert. Bei seinen Forschungen indes fand der Historiker nicht einen Beweis dafür, dass die Hussiten jemals in Deggendorf waren. Mit großem Beifall dankten die Zuhörer dem Historiker für seinen spannenden Vortrag.